Wenn ich vor ihm sterben sollte, möchte er auf meiner Beerdigung Foxtrott tanzen, verspricht mir der 39-Jährige mit einem breiten Grinsen.

Da er jedoch viel älter ist als ich, hofft er natürlich, dass das nicht der Fall sein wird (Ich übrigens auch). Aber man kann ja nie wissen. Also: Wenn es eintreffen sollte, zwingt den guten Mann seinen Foxtrott zu tanzen!



Angst hat er 

vor dem Sterben nicht. Und eine bestimmte Vorstellung wie 
alles ablaufen soll, noch weniger. 
Er is ja dann
sowieso nicht 
mehr da.

„Ich bin eher der egoistische Typ. 
Ich hab ja leider nichts mehr 
davon, 
sodass
es mir egal ist, 

was es an 
Speisen gibt, 
wie die Leute aussehen oder was für Musik läuft“. 

Wirklich Egal?
Scheinbar schon.




Der Mann ist schon seit seinem elften Lebensjahr an Computern interessiert und gründet 2001 dann sein ganz eigenes Unternehmen. Klein aber fein.


Das reicht ihm aber nicht, sodass er seine (und meine ehemalige Stammkneipe) mit einem guten Freund übernimmt.
„Wir sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch richtig gute Freunde“, sagt er und es klingt ganz danach als ob sie sich schon eine Ewigkeit kennen.

Zwei Jobs in einer Stadt. Die meisten sind schon mit einem vollkommen überfordert. Aber der eine Job in der Kneipe, gehört ja auch eher in die Kategorie "Jugendtraum verwirklichen".
Denn, wer hatte noch nicht den Gedanken mit einem guten Freund eine Bar zu schmeißen.

Zurück zur Beerdigung:

Sterben würde er gerne am „Herzkasper" und zwar schnell und schmerzfrei, verrät er. Und hofft natürlich auf einen günstigen Augenblick.
Gibt es so etwas überhaupt – einen günstigen Moment oder ein gutes Alter zum Sterben? Er denkt kurz nach.
..
„Mit 85 Jahren wäre vielleicht nicht schlecht, aber ich denke, das ändert sich mit der Zeit. Hauptsache schmerzfrei."


Der Wirt ist kein „klassischer Christ“, der an das Leben nach dem Tod glaubt. Wichtig ist ihm, dass er durch seine kleine Familie die Gewissheit hat, in seinen Kindern weiterzuleben.
Das beruhigt ihn. Mehr braucht er nicht.

Obwohl auch er ahnt, dass er irgendwann vergessen sein wird. 
„An meinen Großvater kann ich mich noch erinnern, an meinen Urgroßvater weniger und an meinen Ururgroßvater gar nicht, so wird es auch mit mir sein. Früher oder später."

Er hält nichts davon, eine Trauerfeier zu planen. Kommen kann jeder, den es interssiert.

Auch die ältere Dame mit kleinem Handtäschchen, die bei fast jeder Beerdigung
auftaucht (die aber keine Sau kennt).

Vielleicht hat sie es in der Zeitung gelesen oder im Pilateskurs erfahren. Sie wird auch da sein. Schmeißt ein wenig Erde auf sein Grab, und klammert sich an ihrer kleine Tasche fest.




Einen Funeralplanner braucht der Mann also nicht.

Schade. Einen Sarg in "Bier-Form", hätte ich mir bei ihm gut vorstellen können.
Plötzlich sagt er doch, dass ihm eins wichtig wäre:
„Verbrannt möchte ich nicht werden! Das hat aber nichts mit Religion zu tun, sondern eher aus Traditionsgründen."
Und er möchte vor seiner Frau sterben. 

„Sonst hat man zuviel zu tun“, sagt er und lacht.

Eine To-Do-Liste mit Aufgaben, die er bevor er abdankt verwirklichen möchte, hat der Mann, der gerne mal hinter dem Thresen steht, natürlich auch.


„Eigentlich habe ich das Wichtigste schon erreicht: Eine Familie gründen. Alles andere ist nebensächlich.“ Das nenn ich Romantik im 21 Jahrhundert. Hut ab!
Jede To-Do-Liste hat den ein oder anderen Punkt, der beim ersten durchlesen, kitschig, völlig bescheuert oder einfach nur suspekt erscheint. Doch ist es nicht genau diese Eigenschaft, die eine To-Do-Liste erst richtig interessant macht? Irgendwie schon.
Ob man sich nun vornimmt...
...in einen fremden Garten zu pinkeln
...vor einer grünen Ampel, mit dem Auto einfach stehen bleibt und alle wahnsinnig macht
...einmal mit dem Bobbycar durch den Drive-In zu fahren
...einem Obdachlosen ein Frühstück zu zahlen
...nackt im Supermarkt einzukaufen
...eine Patenschaft für ein Kind in Afrika zu übernehmen
oder barfuß im Regen zu tanzen...


Man muss es durchziehen. Die einzige Regel bei einer To-DO-Liste...sonst, ist man an nichts gebunden.



So ein sonderbares „To-Do“ hat der Kerl mit der "Fast"-Glatze natürlich auch in petto:

„Mit 15 Jahren habe ich mir vorgenommen niemals Miete zu bezahlen. Als Unternehmer ist mir das natürlich nicht gelungen, aber privat schon.“ Denn: Der Wirt hat mit seinen Brüder ein Haus gebaut und hat den Punkt somit schon früh abgehakt.


Ich schaue ihn an. Mir geht die Sache mit dem "Foxtrott-Tanz" nicht aus dem Kopf. Irgendwie schade, dass er den nur tanzt, wenn ich vor ihm abkratze. Davon hab ich ja dann leider nichts mehr. Wie wäre es also damit: Falls ich heiraten sollten, wäre es schön, wenn er auf meiner Hochzeit einen Foxtrott tanzt.
Ganz ungezwungen, und am besten mit seiner Frau.